Ovid, Buch I: Metamorphosen 689-712 (Deutsche Übersetzung) – Pan und Syrinx
Lateinischer Text | Übersetzung |
(689) Tum deus ‘Arcadiae gelidis sub montibus’ inquit ‘inter hamadryadas celeberrima Nonacrinas naias una fuit: nymphae Syringa vocabant. non semel et satyros eluserat illa sequentes et quoscumque deos umbrosaque silva feraxque rus habet. Ortygiam studiis ipsaque colebat virginitate deam; ritu quoque cincta Dianae falleret et posset credi Latonia, si non corneus huic arcus, si non foret aureus illi; sic quoque fallebat. | (689) Darauf sprach der Gott: Im eiskalten Gebirge Arkadiens war unter den Baumnymphen von Nonacris (Stadt und Berg in Arkadien) eine Naiade am berühmtesten – die Nymphen nannten sie Syrinx. Nicht nur einmal hatte sie mit Satyrn, die ihr nachstellten, und was es sonst an Göttern in den schattigen Wäldern und auf dem fruchtbaren Land gab, ihr Spiel getrieben; sie selbst diente mit ihren Leidenschaften und ihrer Jungfräulichkeit der Göttin Ortygia (Beiname der Göttin Diana wegen deren Heimat Delos=Ortygia). Da sie nach der Art Dianas gegürtet war, täuschte sie (die Leute) und man konnte glauben, sie sei die Tochter Latonias (Latonia war die Mutter der Zwillinge Apollo und Diana), wenn diese nicht einen Bogen aus Horn, jene nicht einen aus Gold gehabt hätte; auch so täuschte sie. |
(698) Redeuntem colle Lycaeo Pan videt hanc pinuque caput praecinctus acuta talia verba refert — restabat verba referre et precibus spretis fugisse per avia nympham, donec harenosi placidum Ladonis ad amnem venerit; hic illam cursum inpedientibus undis ut se mutarent liquidas orasse sorores, Panaque cum prensam sibi iam Syringa putaret, corpore pro nymphae calamos tenuisse palustres, dumque ibi suspirat, motos in harundine ventos effecisse sonum tenuem similemque querenti. arte nova vocisque deum dulcedine captum ‘hoc mihi colloquium tecum’ dixisse ‘manebit,’ atque ita disparibus calamis conpagine cerae inter se iunctis nomen tenuisse puellae. | (698) Pan sieht sie, wie sie von der Höhe des Lycaeus zurückkehrt. Das Haupt umwunden mit einem stachligen Fichtenkranz spricht er folgende Worte – es blieb nur, die Worte zu überliefern, und daß die Nymphe, nachdem seine Bitten verschmäht worden waren, durch unwegsames Gelände geflohen sei, bis sie zum ruhigen Wasser des sandigen Ladon kam, und daß sie hier ihre wasserklaren Schwestern gebeten habe, sie zu verwandeln, weil das Wasser ihren Lauf hemmte, und daß Pan, der schon glaubte, sich Syrinx geschnappt zu haben, Schilfrohre aus dem Sumpf anstatt des Körpers der Nymphe festgehalten habe, und daß die in Bewegung versetzte Luft, während er dort seufzte, im Schilf einen zarten Ton erzeugt habe, der einer Klagenden glich; daß der Gott, ergriffen von der neuen Kunst und der Süße des Tons gesagt habe: Diese Art der Unterhaltung mit dir wird mir bleiben; daß er, nachdem er Schilfrohre von ungleicher Länge durch Wachs als Bindemittel miteinander verbunden, das Mädchen wenigstens dem Namen nach gehalten habe. |