Level 3:
1. Übersetzungsvorschlag:
Auch wird meiner Meinung nach allerdings niemand ein mit dem ganzen Lob überschütteter Redner sein können, wenn er nicht das Wissen aller bedeutenden Gebiete und Künste beherrscht/sich angeeignet hat: aus der Kenntnis der Dinge nämlich muss die Rede erblühen wachsen. Wenn die Sache vom Redner nicht begriffen und erkannt ist, so hat/bietet diese eine gewisse leere und fast kindliche Ausdrucksweise. Aber ich will weder diese so große Last besonders unseren Rednern bei dieser so großen Beanspruchung durch die Stadt und das Leben auferlegen, dass ich ihnen nicht zugestehen würde, einiges nicht zu wissen.
2. Was muss ein Redner wissen?
umfassende Kenntnisse der Künste und aller wichtigen Dinge besitzen
über diese Kenntnisse ist der Redner erst in der Lage eine erwachsene und inhaltsvolle Ausdrucksweise in seinen Reden zu zeigen
trotzdem: unmöglich alles zu wissen, da der Redner durch Stadt/Politik und auch Belange des Lebens beansprucht ist.
Redner zeichnet es aus sich zu jedem Thema ausführlich und überzeugend reden zu können
3. Stilmittel (Beispiele)
dreifaches Polyptoton („orator“ Z. 2, „ab oratore“ Z.5 und „oratoribus“ Z.8): Redner steht im Vordergrund
Pronomina („mea“ Z.1 und „ego“ Z.7): unterstreichen seine persönliche Sichtweise auf die Frage nach dem Wissen eines Redners.
Metapher („efflorescat“ Z.3): Cicero beschreibt die Entwicklung einer Rede mit einer Metapher (eine Rede kann „erblühen“). Cicero erschafft dadurch ein Bild einer Pflanze, bei der Samen gelegt worden sind, sie selbst aber noch Nährstoffe und Licht brauch, um ihre ganze Schönheit zu erreichen. Die Nährstoffe und das Licht stehen dabei für das Wissen des Redners.
4. Ideale Redner:
philosophische Bildung durch Beherrschung der drei Stilarten:
genus subtile, summissum, tenue: der schlichte Stil
genus medium, modicum, temperatum: der mittelere Stil
genus grande, vehemens, grave, amplum: der erhabene Stil
der schlichte Stil: fehlender Rhythmus, wenig Redeschmuck, aber mit Witz und Pointe → Zweck Belehrung (docere)
der mittlere Stil: viel Redeschmuck, Süße und Lieblichkeit angestrebt → Zweck Erfreuen (delectare)
große/erhabene Stil: voller Figurenapparat (ornatus), Ausdrucksfülle (copia) → Zweck Erschütterung (permovere, flectere)
alle Stile müssen nach Bedarf eingesetzt werden können